Herr, wir wollen Jesus sehen: Das Herzstück treuer Predigt

In einer Zeit, in der Kanzeln für vielerlei Anliegen genutzt werden, erinnert uns der Theologe Michael Reeves an die eine, unverzichtbare Aufgabe des Predigers. Sein kurzer, aber gehaltvoller Artikel ruft uns zurück zum Zentrum unseres Glaubens und unserer Verkündigung. Er stellt eine grundlegende Frage: Wessen Herrlichkeit soll in der Predigt aufleuchten – unsere eigene, die einer Sache oder die Christi? Diese Frage ist für jeden Christen von Bedeutung, der Gottes Wort hören und verstehen möchte.

Reeves beginnt mit einer persönlichen Erinnerung an eine Inschrift, die nur der Prediger an seiner Londoner Kanzel lesen konnte: „Herr, wir wollen Jesus sehen“. Dieser Satz aus dem Johannesevangelium (Joh 12,21) bringt für ihn den Auftrag auf den Punkt. Denn, so schreibt Reeves, Jesus Christus ist die Erfüllung aller Verheißung und das Ziel der ganzen Schrift:

„Jesus Christus ist die Wahrheit und die Herrlichkeit Gottes. In ihm ist die Gnade und das Leben und die Weisheit Gottes zu finden. In seinem Antlitz sehen wir ›die Erleuchtung … zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes‹ (2 Kor 4,6).“

Der Artikel führt aus, dass die gesamte Bibel – Gesetz, Propheten und Apostel – auf ihn hinweist und von ihm zeugt. Christus ist daher nicht bloß ein Überbringer einer guten Nachricht; er ist die gute Nachricht. Reeves warnt davor, Christus zu einem Händler zu degradieren, der Segen und ewiges Leben anbietet.

„Er ist kein Hausierer, der mit seiner Botschaft umhergeht und verspricht, dass seine Heilmittel den wahren Segen enthalten. […] Sicher nicht! Nein, er ist der Lebendige. Er ist das Leben und die Weisheit des Vaters, zu der wir durch den Geist Zugang haben. Er ist das Leben, und das Leben ist nur in ihm zu finden.“

Die logische Konsequenz für den Prediger ist laut Reeves klar und unmissverständlich. Er vergleicht den Verkündiger mit dem Knecht Abrahams, der ausgesandt wurde, um eine Braut für Isaak zu werben. „Wenn es das große und ewige Ziel des Sohnes ist, eine Braut für sich zu gewinnen“, so schließt Reeves, „dann müssen seine Boten für ihn werben.“ Eine solche Predigt, die Christus groß macht, wird immer zugleich evangelistisch für Suchende und erbauend für Gläubige sein.

Reeves‘ Plädoyer ist eine befreiende Erinnerung daran, dass christliche Verkündigung weder in moralische Appelle noch in subjektive Erfahrungsberichte münden muss. Die Aufgabe ist einfacher und zugleich herrlicher: Christus selbst vor Augen zu malen, wie es das reformatorische Erbe, dem wir uns verpflichtet fühlen, stets betont hat. Wenn Christus das Zentrum ist, wird die Predigt zu dem, was sie sein soll – eine Begegnung mit dem lebendigen Gott, der in seinem Sohn alles für uns getan hat.


Michael Reeves ist Rektor der Union School of Theology. Der vollständige Artikel kann hier gelesen werden: https://verbum-medien.de/blogs/verbum-medien/christus-sichtbar-machen-die-aufgabe-des-predigers

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