Angezogen von Christus – oder von christlicher Kultur?
Benjamin Vincent beobachtet in einem bedenkenswerten Artikel für die Plattform The Gospel Coalition einen überraschenden Trend: In den USA und Großbritannien finden wieder mehr junge Männer den Weg in die Kirche. Dies wirft eine wichtige Frage auf, die auch für Gemeinden im deutschsprachigen Raum von Bedeutung ist: Suchen diese Männer wirklich Christus, oder fühlen sie sich lediglich von einer als traditionell und stabil empfundenen christlichen Kultur angezogen? Die Unterscheidung ist pastoral und theologisch von entscheidender Bedeutung.
Der Autor führt diesen Trend auf eine verbreitete „Krise der Männlichkeit“ zurück. In einer Zeit, in der junge Männer mit verwirrenden und widersprüchlichen Botschaften über Identität und Lebenssinn konfrontiert sind, suchen sie nach Halt. In diesem Chaos, so Vincent, erscheint die Kirche vielen als ein Hort traditioneller, konservativer Werte. Sie bietet eine Gegenkultur, die durch die Betonung der Familie, klar definierter Rollen und der Aufforderung zu Mut und Tugendhaftigkeit anziehend wirkt.
Hierin liegt jedoch eine subtile Gefahr, die Vincent als „kulturelle Bekehrung“ bezeichnet. Er zitiert den bekannten Atheisten Richard Dawkins, der von sich selbst sagt, er sei ein „kultureller Christ“: „Ich bin kein Gläubiger, aber es gibt einen Unterschied zwischen einem gläubigen Christen und einem kulturellen Christen. … Ich liebe Kirchenlieder und Weihnachtslieder, und ich fühle mich im christlichen Ethos irgendwie zu Hause.“ Laut dem Artikel besteht die Gefahr, dass junge Männer sich in die Atmosphäre und die Traditionen der Kirche verlieben, aber niemals lernen, die Person Jesu Christi zu lieben und ihm zu gehorchen. Die Gemeinde darf nicht zu einem sozialen Club für Männer werden, die lediglich ihre konservative Weltanschauung bestätigt sehen wollen. Wie es in einem zitierten Podcast heißt, sollte die Gemeinde nicht als „ein Club für Traditionalisten verkauft werden, sondern als ein Ort, der dem Gott des Universums gehört“.
Die entscheidende Antwort darauf ist, so der Artikel, eine echte und konsequente Jüngerschaft. Anstatt Männer in einem „muskulösen Christentum“ zu bestärken, das Stolz und Zorn fördert, sollen Gemeinden sie zu einer „kreuzförmigen Männlichkeit“ rufen – einer Männlichkeit, die vom Kreuz Christi geprägt ist und sich im demütigen Dienst am Nächsten bewährt.
Diese Beobachtungen sind ein wichtiger Weckruf. Das Evangelium ist keine Wertegemeinschaft und keine kulturelle Festung, sondern die lebensverändernde Botschaft von einem gekreuzigten und auferstandenen König, der zur Umkehr und zum Glauben ruft. Unsere Aufgabe als Gemeinde ist es, suchende Männer nicht mit einer attraktiven Subkultur zu umwerben, sondern sie mit der Person Jesu Christi bekannt zu machen, der Demut statt Stolz und Dienen statt Herrschen lehrt (Phil 2,5-11). Nur so wird aus kulturellem Interesse eine rettende Beziehung zum lebendigen Gott.
Der vollständige Artikel von Benjamin Vincent erschien auf The Gospel Coalition und kann hier im Original gelesen werden: https://www.thegospelcoalition.org/article/young-men-christ-culture/
