Mehr als eine königliche Laune: Die wahren Wurzeln der Englischen Reformation
Die Entstehung der Kirche von England wird in Deutschland oft auf die Eheprobleme Heinrichs VIII. reduziert. Ein kurzer, aber aufschlussreicher Artikel des Centre for Reformation Anglicanism (CRA) korrigiert dieses verkürzte Bild und zeigt, dass die englische Reformation weit tiefere, theologische Wurzeln hat. Diese Perspektive ist entscheidend, um das Wesen des reformatorischen Anglikanismus als eine Bewegung zurück zur Autorität der Heiligen Schrift zu verstehen.
Der Artikel unterscheidet zwischen dem Anlass und der Ursache für die Reformation. Während der „Anlass“ für den formellen Bruch mit Rom in König Heinrichs politischen Ambitionen und seinem Wunsch, Anne Boleyn zu heiraten bestand, sei die eigentliche Ursache für die Reformation jedoch viel früher zu finden, nämlich „in dem Moment, als die englische Kirche von der Bibel als ihrer obersten Autorität abwich“. Treibende Kraft für die Erneuerung waren theologische, nicht primär politische Gründe.
Die protestantische Reformation in England begann laut Autor bereits mehrere hundert Jahre vor Heinrich VIII. mit John Wycliffe, dem „Morgenstern der Reformation“, und seinen Anhängern. Wycliffes bahnbrechende Übersetzung der Bibel ins Englische legte das Fundament. Der Artikel führt aus, wie weitere Faktoren zusammenwirkten und zu einem „perfekten Sturm“ führten, der die Reformation unaufhaltsam machte: „Die englische Bibel und die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern, Erasmus und der Aufstieg des Humanismus, ein wachsendes Gefühl nationaler Unabhängigkeit und die Schriften Martin Luthers und anderer kontinentaler Reformatoren, die illegal nach England gelangten.“
Abschließend wird die Rolle von Elisabeth I. hervorgehoben. Ihre lange Herrschaft brachte eine stabile Verankerung („Elisabethan Settlement“) der Kirche, die sie, so der Artikel, „fest im Evangelikalismus (später Protestantismus genannt) der englischen Reformatoren des 16. Jahrhunderts verankerte“. Die Identität des Anglikanismus gründe sich bis heute auf diese elisabethanische Ordnung und die darin festgeschriebene oberste Autorität der Heiligen Schrift, wie sie in den historischen Bekenntnisschriften – den 39 Artikeln, dem Book of Common Prayer und den Homilien (Anm.: einer Auswahl autorisierter Predigten) – zum Ausdruck kommt.
Diese historische Richtigstellung ist mehr als eine akademische Notiz; sie erinnert uns daran, dass Gottes Wirken in der Kirchengeschichte oft komplex ist und Er selbst die unvollkommenen Motive von Menschen gebraucht, um Seine Kirche auf das Fundament Seines Wortes zurückzuführen. Für uns in Deutschland ist dies eine Ermutigung, bei jeder kirchlichen Tradition nicht auf ihre politischen Ursprünge, sondern auf ihre theologische Substanz zu blicken: Steht sie fest auf dem Evangelium von Jesus Christus, wie es uns die Heilige Schrift bezeugt?
Der vollständige Artikel des Centre for Reformation Anglicanism ist hier auf Englisch zu lesen: https://www.anglicanism.info/writing/he-didnt-start-the-church-of-england
