Zeitenwende im christlichen Kontext? Ein Blick auf das Jahr 2025
Collin Hansen von The Gospel Coalition bietet in seinem Jahresrückblick „My Top 10 Theology Stories of 2025“ eine faszinierende Momentaufnahme der christlichen Landschaft im vergangenen Jahr. Sein Artikel, aus einer amerikanischen evangelikalen Perspektive geschrieben, beleuchtet Entwicklungen, die auch für evangelikale und konfessionelle Christen in Deutschland von Bedeutung sind. Er konfrontiert uns mit der komplexen Realität, in der sowohl Anzeichen eines christlichen „Comebacks“ als auch eines signifikanten Rückgangs der Religiosität sichtbar sind – ein Spannungsfeld, das zum Nachdenken über die eigene Situation anregt.
Hansen fasst die Gemengelage des Jahres 2025 treffend zusammen: „Rückblickend auf 2025 sehen wir ein Jahr der Kommas, nicht der Punkte. Nicht viel wurde im letzten Jahr entschieden.“ Diese Beobachtung macht er an mehreren Punkten fest. Einerseits stellt er fest, dass der beliebteste Podcaster der Welt ein Replikat des ältesten neutestamentlichen Fragments, P52, in einem Interview präsentierte, das „mehr als 7,8 Millionen Mal auf YouTube angeschaut wurde.“ Dies deutet auf ein wachsendes Interesse an den Ursprüngen des christlichen Glaubens hin. Andererseits berichtet er, dass „Gallup Schlagzeilen machte, indem es einen der größten Rückgänge der Religiosität innerhalb von 10 Jahren für jedes Land seit Beginn der Erhebung 2007 meldete.“ Nur 49 Prozent der US-Erwachsenen gaben 2025 an, dass Religion ein wichtiger Bestandteil ihres täglichen Lebens sei, verglichen mit 66 Prozent im Jahr 2015. Dieses Paradoxon – sichtbares Interesse am Glauben bei gleichzeitigem institutionellen Rückgang – prägt das Bild.
Auch in der anglikanischen Welt gab es bedeutsame Verschiebungen, die Hansen hervorhebt: „Die Führung der anglikanischen Gemeinschaft verschiebt sich, nachdem ein neuer Erzbischof von Canterbury ernannt wurde.“ Er berichtet, dass „die Global Anglican Future Conference (Gafcon) ihre eigene Führung innerhalb des anglikanischen Mainstreams geltend machte, nachdem die Church of England die Ernennung von Sarah Mullally ankündigte, die in die Reihe von Anselm, Thomas Becket und Thomas Cranmer nachfolgen soll.“ Als erste weibliche Erzbischöfin von Canterbury “unterstützt Mullally die jüngsten Revisionen ihrer Kirche zugunsten der gleichgeschlechtlichen Ehe, eine Ursache für die globale Spaltung der Gemeinschaft.“ Laurent Mbanda, Erzbischof von Ruanda und Vorsitzender des Gafcon Primates Council, bekräftigte daraufhin: „Die Führung der anglikanischen Gemeinschaft wird an diejenigen übergehen, die die Wahrheit des Evangeliums und die Autorität der Schrift in allen Lebensbereichen hochhalten.“ Diese Entwicklung zeigt die anhaltende theologische Polarisierung und die Festigung konfessionell loyaler Netzwerke wie GAFCON.
Ein weiterer bemerkenswerter Punkt in Hansens Artikel ist die „Stille Erweckung“ (Quiet Revival) in Großbritannien. „Die Bibelgesellschaft veröffentlichte im April einen Bombenbericht, der substanzielle Zunahmen der Kirchenbesuche in England und Wales in den letzten sechs Jahren feststellte, insbesondere bei 18- bis 24-Jährigen und insbesondere bei Männern.“ Dies ist ein ermutigendes Zeichen, das hoffen lässt, dass biblische Wahrheit und traditionelle Glaubensformen auch in säkularen Kontexten weiterhin Menschen anziehen können, selbst wenn die EKD in Deutschland einen Rückgang ihrer Mitgliederzahlen verzeichnet. Doch auch hier die Metamoderne: Der Artikel erwähnt die „Allianz für verantwortungsvolle Staatsbürgerschaft (ARC)“, wo „ehemalige Atheisten diskutieren, ob sie sich für das Christentum als Quelle der Erholung und Erneuerung in der westlichen Zivilisation einsetzen sollen.“
Was bedeuten diese Beobachtungen für uns in Deutschland? Die von Hansen skizzierten Entwicklungen – von der Polarisierung im anglikanischen Raum bis hin zu den gemischten Signalen zur Religiosität – laden uns ein, unsere eigene geistliche Lage nüchtern zu betrachten. Es erinnert uns an die bleibende Relevanz einer unverkürzten biblischen Theologie und der Notwendigkeit, das Evangelium Christi klar und lebensnah zu kommunizieren. Es ist eine Ermutigung, inmitten gesellschaftlicher Umbrüche standhaft im Glauben zu bleiben und die Hoffnung auf Gottes Wirken nicht aufzugeben, während wir gleichzeitig wachsam und kritisch die Zeichen der Zeit deuten. Der Ruf nach einer Rückbesinnung auf die Autorität der Schrift und das Bekenntnis zum Evangelium ist aktueller denn je.
Quelle: https://www.thegospelcoalition.org/article/top-theology-stories-2025/
